Silvesterkonzerte in St. Mang
Schon als Kind hat mich die Stadtpfarrkirche St. Mang meiner Heimatstadt Füssen besonders angezogen, ein Ort voller Geheimnisse, Geborgenheit von Verborgenem. Dieser Raum schafft in mir Begegnung mit dem Wort von Ewigkeit(s. Johannes Paul ll. , Römisches Triptychon) und seit einiger Zeit sind es auch die Lichtspuren der Krypta und der Altäre, die in mir aufleuchten, auch wenn ich fern der Heimat an ´mein´St. Mang denke.
Dann betet die Kirche in mir. Ich denke dann oft an mein Kreuz, mein Cello und meinen Bogen. Im Schnittpunkt dieses Kreuzes entsteht Klang, auch Klang ist Licht und seit meinem 25. Lebensjahr ist dieses Kreuzeslicht das letzte Gebet jedes Jahres in St. Mang, es ist mein Gebet, das ich mit vielen Menschen nach dem Jahresschlussgottesdienst teile. Es ist kein „Konzert“, allerdings würde ich diesen Begriff in meinem Berufsleben weiter auslegen, nämlich so, wie es viele Menschen mit mir am letzten Tag des Jahres in St. Mang empfinden. Und so empfinde ich auch die Lichtspuren in dieser Kirche von Johann Jakob Herkomer bis E.LIN als ein wahres Konzert.
Paul Klee konnte malend und in Wörtern Spiegel derartiger Spuren sein:
Eine Art von Stille leuchtet zum Grund.
Von Ungefähr
scheint da ein Etwas,
nicht von hier,
nicht von mir,
sondern Gottes.
Lichtspuren schaffen Stille, Stille wird zur Lichtspur, ein Leuchten ein zwei Richtungen, zurück zum Ursprung , zum „Grund“, und in das noch unbestimmte Dunkel meines Lebens: die zwei entgegen gerichteten Strahlen treffen sich – in mir.
Spurensuche ist Gottessuche.
Gottes!
Wenn auch nur Widerhall,
nur Gottes Spiegel,
so doch Gottes Nähe.
Am Sichtbaren scheint Unsichtbares auf.
Ein Lichtschlüssel scheint verborgene Räume zu öffnen und dennoch bleibt das Geheimnis Geheimnis, die Ahnung und das Staunen werden unermesslich. So leitet uns das Licht, das zur bleibenden Begegnung wird, zur entscheidenden Lebensfrage, deren Antwort im ewigen Leben zu liegen scheint. In diesen Momenten dürfen wir Ewigkeit in uns ertasten.
Tropfen von Tief
Licht an sich.
Wer ja schlief und der Atem stand.
der……
Das Ende heim zum Anfang fand.
(Paul Klee, 1914)
So schließt sich der Kreis des sich begegnenden Lichts in uns und wird zum Symbol für den Lebenskreis, wenn „das Ende heim zum Anfang“ findet. Ich denke an „Tropfen von Tief“, an Tautropfen, die Lichtspuren in die Farben des Regenbogens verwandeln. Mein Kind Immanuel, der in St. Mang Getaufte, sagte früher „Lebenbogen“ und malte Serien von Bildern. Wir Erwachsenen meinen, er spricht das „R“ noch nicht, es könnte aber auch sein, er meint „Lebensbogen“, dessen Licht der auferstandene Jesus Christus ist.
Vielleicht sind wir noch zu erwachsenen für so manche Spur, die Geburt des Kindes in uns, des Lichtes, das zur bleibenden Begegnung wird, wird unser Leben wandeln, über unser Leben hinaus.
Wenn ich am Silvester nach dem letzten Ton in der klangvollen Stille des Kirchenraumes auf den ersten Glockenschlag vom Kirchenturm warte, dann weiß ich, wieder ist ein Jahr vergangen. Ich denke zurück und voraus und gehe still in die Sakristei. Der „Lebenbogen“ geht weiter!