Gilead Mishory

Psalm – Fluchtstücke – Psalm
Hinter allen Werken dieser CD stehen Worte. Der zweite, zentrale Satz des dreisätzigen Streichquartetts Psalm ist vom gleichnamigen Gedicht Paul Celans inspiriert, das die Sehnsucht nach einem erbarmenden Gott – trotz seiner Nicht-Existenz – thematisiert. Der Text wird von den Streichern in einer Art Sprechgesang rezitiert und bewegt sich zwischen mehreren assoziativen Ebenen, sowohl im historischen wie religiösen Sinne. Motive, die an jüdische Gebetsfetzen erinnern (u. a. mikrotonale Elemente), erklingen neben Elementen der christlichen Choraltradition (Es ist ein Ros entsprungen von Michael Praetorius). Zwei andere Gedichte von Paul Celan – inhaltlich mit Psalm verbunden – sind Inspirationsquellen des ersten und dritten Satzes, ohne jedoch gesprochen zu werden. Im bewegten Schlusssatz Sandvolk wird durch orientalisch angehauchte Motive und Rhythmen die biblisch anmutende Wüstenszene im Gedicht Oben, geräuschlos beschrieben, wobei ein Wort überlebt: Wasser. Motivisch ist dieser Satz eng mit dem Kopfsatz (Auge der Zeit) verbunden.
Hinter dem Psalm für Violoncello und Klavier stehen die Psalmen Davids. Es sind jedoch keine konkreten Psalmen, auf die Bezug genommen wird. Vielmehr kann die Spanne zwischen Psalm 22 (Mein Gott, warum hast du mich verlassen?) und Psalm 23 (Gott ist mein Hirte, mir wird nichts fehlen.) das emotionale Spektrum beschreiben, in dem sich der Rezitierende bewegt: Glaube, Sehnsucht nach Geborgenheit und Schutz Gottes einerseits, Anklage, Zweifel und Verzweiflung andererseits.
Die außerordentlich reiche, pulsierend klingende und poetische Sprache des Romans Fugitive Pieces (Fluchtstücke) von Anne Michaels regte den gleichnamigen Klavierzyklus an, der aus mehreren kurzen Ton-Bildern besteht. Das Buch beschreibt die Geschichte von Jakob Beer, einem jüdischen Kind aus einem Dorf in Polen, das überlebt, nachdem seine ganze Familie von den Nazis erschossen wurde. Erzählt wird seine einsame Flucht in den Wald und Sumpf, seine wundersame Rettung durch den griechischen Archäologen Athos, sein Überleben im Versteck auf der Insel Zakynthos sowie seine obsessive Beschäftigung mit dem Schicksal seiner älteren Schwester Bella und mit ›ihrer‹ Musik, speziell mit den Intermezzi von Brahms und Beethovens Mondscheinsonate. Der Roman spielt gleichzeitig auf verschiedenen Bewusstseins- und Realitätsebenen. (»Every moment is two moments« / »The gradual moment« / »All visible things will be born again invisible«). Die Musik spiegelt diese Beschäftigung mit der Zeit an einigen Stellen wider. Es sind kürzere oder längere, immer flüchtige Momentaufnahmen. Die Zitate aus dem Roman haben die jeweiligen Stücke assoziativ angeregt. Musik ist jedoch im Unterschied zum Wort eine äußerst ungreifbare Substanz und findet oft unerwartete Wege …
Gilead Mishory

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